"Wir weigern uns zu glauben, wir könnten ja doch nichts ausrichten!"

Ein Gespräch mit den Stiftungsmitgründern Gisela und Klaus Kohle

aus MAGAZIN forumZFD 1/2017

November 2014. Der Plan, eine Stiftung zu gründen, nimmt beim forumZFD immer mehr Gestalt an. Nur das Gründungskapital von mindestens 50.000 Euro hat man noch nicht beisammen. Da flattert eine überraschende Nachricht in die Geschäftsstelle: Gisela und Klaus Kohle wären bereit, die Stiftung mitzugründen und entsprechend Geld bereitzustellen. Gisela und Klaus Kohle? Kennt die jemand? Nein, denn die damalige Nachricht war ihr erster Kontakt mit dem forumZFD.

Aber das sollte sich bald ändern: Schon am 12. Dezember 2014 beteiligten sie sich an der Gründung der Stiftung Forum Ziviler Friedensdienst. Gisela (63) und Klaus (64) leben in Eybach, einem Ortsteil von Geislingen an der Steige, am Fuße der Schwäbischen Alb. Sie engagieren sich dort für eine barrierefreie Umwelt und für die Inklusion behinderter Menschen. Ihre Überzeugung: Die von Deutschland ratifizierte UN-Behindertenrechtskonvention ist eine Verpflichtung und damit Einladung an alle, Barrieren in den Köpfen zu erkennen und daraus die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen. Diese Einladung lässt sich problemlos auf die Friedens- und Konfliktarbeit übertragen. Für das forumZFD-MAGAZIN wollten wir mehr über unser Stiftungsgründerpaar erfahren. Heinz Wagner, Stiftungsvorsitzender, hat für das MAGAZIN mit Gisela und Klaus Kohle gesprochen.

Es gibt ja unzählige Problemfelder: Flüchtlingsarbeit, fairer Handel, Inklusion. Sie mischen sich da in Geislingen immer wieder ein. Was hat Sie dazu gebracht, sich jetzt auch für Friedensprojekte einzusetzen?

Klaus Kohle: Wer sich für mehr soziale Gerechtigkeit vor Ort einsetzt, betreibt auch eine Form der Friedensarbeit, denn ohne soziale Gerechtigkeit wird es keinen stabilen Frieden geben können.

Gisela Kohle: Wenn man lokal eine Art Graswurzelarbeit macht, ist man froh zu erfahren, dass andere Leute und Organisationen in einem größeren Rahmen und mit qualifizierten Ansätzen Friedensarbeit machen. Als Ausgleich dafür, dass wir das hier vor Ort nicht auf die Beine stellen können, schließen wir uns dem gerne an.

Wie sind Sie dabei auf das forumZFD gestoßen?

Klaus Kohle: Auf das forumZFD sind wir durch die Zeitschrift „Publik-Forum“ aufmerksam geworden. Die Berichte und Aktionsvorschläge dort haben uns beeindruckt.

Sie haben bereits einige Jahrzehnte aktiver Solidaritätsarbeit hinter sich. Welche Erlebnisse haben Sie dazu motiviert, sich nun für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung einzusetzen?

Klaus Kohle: Es gab keine bestimmten Ereignisse, die uns zu friedenspolitischem Engagement gebracht haben. Wir haben sehr bewusst die Phase des Kalten Krieges in den 70er und 80er Jahren erlebt. Unser erstes politisches Engagement war ab 1979 die Mitarbeit in einer entwicklungspolitischen Gruppe, Hauptthemen waren Südafrika und Nicaragua. Damals ist uns die Verzahnung der drängenden Themen Ökologie,  Entwicklungspolitik, Friedenspolitik und soziale Gerechtigkeit bewusstgeworden.

Gisela Kohle: Aber wir haben schon eindrucksvolle politische Aktionen miterlebt. Ich denke da an die Menschenkette gegen die Hochrüstung von Stuttgart nach Neu-Ulm im Oktober 1983 mit mehr als 250.000 Menschen. Die ging direkt hier durch Geislingen, das war sehr bewegend.

Und gut 30 Jahre später haben Sie sich entschlossen,einen „Haufen Geld“ in den Frieden zu investieren. Was bedeutet Geld für Sie?

Gisela Kohle: Das Wichtigste kann man sich für Geld nicht kaufen, zum Beispiel Freundschaft und Gesundheit.

Klaus Kohle: Wer mehr als das Lebensnotwendige hat, hat auch schon eine gewisse Form des Reichtums. Wenn die existenziellen Bedürfnisse problemlos befriedigt werden können und dann noch etwas übrig ist, so dass ich überlegen kann, ob ich das Geld für Luxus und Komfort ausgeben oder für etwas anderes, ist das durchaus ein Reichtum.

"Es ist erleichternd, sich von Geld zu trennen, wenn man mehr hat, als man braucht."

Gisela und Klaus Kohle

Wie fühlt es sich an, wenn man sich von einer größeren Summe unwiderruflich trennt?

Klaus Kohle: Es ist erleichternd, sich von Geld zu trennen, wenn man mehr hat, als man braucht. Es bedeutet ja nicht, dass wir auf Urlaub oder ähnliche Annehmlichkeiten verzichten müssen. Es ist auch eine Illusion, für alle denkbaren Lebenslagen so vorzusorgen, dass wir sie auf jeden Fall materiell bewältigen könnten. Bei Pflegebedürftigkeit zum Beispiel wären auch relativ große Rücklagen bald aufgebraucht.

Gisela Kohle: Teilen macht reich und lebendig. Es fühlt sich gut an, wenn man nicht lange überlegen muss, welche Geldanlage ethisch vertretbar ist.

Hatten Sie bestimmte Erwartungen, als Sie sich für dieStiftungsgründung entschieden haben?

Klaus Kohle: Der Staat trennt uns ständig von unserem Geld, indem er Steuern einnimmt. Unser Einfluss auf die Verwendung dieser Steuergelder ist bekanntermaßen relativ gering. Ein sehr großer Teil davon wird so eingesetzt, dass wir es eigentlich nicht verantworten können. Viel Geld fließt in den Militärsektor. Mit Hilfe der Stiftung Forum Ziviler Friedensdienst können wir wenigstens ein bescheidenes und symbolisches Gegengewicht setzen.

Welche Sorgen und Befürchtungen haben Sie in Hinblick auf das Jahr 2017, welche Wünsche und Hoffnungen?

Klaus Kohle: Wir befürchten, dass sich unsere Politik dieses Jahr vor allem um die Wahlen sorgt und nicht genügend unternimmt, um innen- und außenpolitisch zu gestalten. Trotz der schwierigen aktuellen Lage weigern wir uns, die Hoffnung aufzugeben. Nehmen Sie zum Beispiel Israel & Palästina. Auch hier gibt es herausragende Initiativen, die die Konfrontationen nicht mitmachen. Ich denke da unter anderem an das West-Eastern Divan Orchestra von Daniel Barenboim. Ich weigere mich zu glauben, wir könnten ja doch nichts ausrichten. Wir wollen bewusst auf die guten Entwicklungen schauen.

Gisela Kohle: Wir wünschen uns im Kleinen wie im Großen, dass ein friedliches Zusammenleben gelingt. Dazu gehört schon im unmittelbaren Umfeld, die Mitmenschen ernst zu nehmen und zu respektieren, auch wenn wir unterschiedliche Auffassungen haben. Es weitet den Horizont ganz wahnsinnig, und unglaublich viel kommt zurück, wenn man gibt. Und natürlich wünschen wir uns, dass die Arbeit des forumZFD erfolgreich ist.